
Svenja Brunner mag ihren Job auch in schwierigen Zeiten. FOTO NADIA KOHLER
Eine Heldin der Stunde
Seit über einem Monat dauert der Lockdown aufgrund des Coronavirus bereits an. Nur die wichtigsten Geschäfte für das tägliche Leben dürfen ihre Tore unter erhöhten Sicherheitsmassnahmen noch öffnen. Die grossen Detailhändler bedanken sich derweil in Werbespots und Inseraten für die tägliche Arbeit ihrer Mitarbeitenden. Gefeiert werden aber auch die Angestellten von Gesundheitsinstitutionen. Dazu gehört die 22-jährige Svenja Brunner aus Chur.
Wenn aus der Pflegerin ein Postbote wird
Die Diplomierte Pflegefachfrau hat soeben ihre Schicht im Kantonsspital Graubünden beendet, als wir das Interview mit gebührendem Sicherheitsabstand starten. Dass wir gerade eine besondere Zeit durchleben, merkt man ihr auf den ersten Blick nicht an. Auch auf Nachfrage zeigt sich: Die Lockerheit ist nicht gespielt, Svenja Brunner scheint es trotz der aktuellen Strapazen gut zu gehen. Sie arbeitet derzeit auf der Allgemeinen Chirurgie im Kantonsspital Graubünden in Chur, wo das Arbeitspensum enorm schwanken kann, da nicht zwingend nötige Eingriffe auf Geheiss des Bundes verschoben werden. «Was mich etwas stört, ist der Mundschutz», erklärt die Pflegefachfrau. Dieser drücke hinter den Ohren und löse teils auch Kopfschmerzen aus. Etwas, dass angesichts der vielen Bilder in den Medien und auf Social Media nicht überrascht. Da zeigen sich diverse Personen aus dem Gesundheitswesen mit tiefen Furchen im Gesicht und Rötungen, dort wo die Maske ins Gesicht schneidet.
«Grundsätzlich kommt es mir beim Arbeiten meist gar nicht so vor, als würde unser Alltag durch das Virus beherrscht», führt Svenja weiter aus. Die Gespräche im Spital hätten sich etwas verändert, aber der Alltag gehe weiter. Auffällig sei jedoch das Fehlen der Besucher. Diese dürfen Kleider oder sonstige Geschenke nur noch am Empfang abgeben. Die Pflegerinnen werden dadurch nicht nur eine der wenigen Kontaktpersonen der Patienten, sondern auch zum Postboten.
Das Besuchsverbot erleichtert für einmal aber auch das Arbeiten – so kann das Gesundheitspersonal zu jeder Zeit ein Zimmer betreten und seinen Tätigkeiten nachgehen, ohne den Besuch und den Patienten zu stören. Wenn sie nicht gerade bei Patienten vorbeischaut, widmet sich Svenja der administrativen Arbeit am PC. Denn der Beruf als Pflegefachfrau fordert nicht nur gute Sozialkompetenzen, auch digitale Fähigkeiten sind gefragt. So wird jede Handlung, jedes Medikament und jeder Verbandswechsel genau dokumentiert. «Im Gegensatz zu ‘Grey’s Anatomy’ sind wir Pflegerinnen für viele der Arbeiten zuständig – und nicht etwa die Ärzte, wie uns die US-Serie vorgaukeln möchte. So sind wir beispielsweise für die Mobilisierung eines Patienten oder dessen Aufnahme verantwortlich», betont Svenja lachend.
Kommt es zum kollektiven Vergessen?
Svenja arbeitet seit rund sechs Jahren im Gesundheitswesen. Vor dem Antritt der Lehre hatte sie sich diverse medizinische Berufe näher angeschaut – darunter Medizinische Praxisassistentin, Optikerin und Apothekerin. Die Arbeit im Spital hat es ihr dann schliesslich angetan. Natürlich sei sie nicht immer gleich motiviert, aber auch in Zeiten von Corona habe sie den Entscheid für diesen Beruf nie bereut. Die tägliche Arbeit – unter anderem mit Blutdruckmanschette und Insulinspritzen – gefalle ihr sehr. Viele Menschen seien dankbar für ihre Arbeit und würden dies auch zeigen. Von Dankes-Aktionen, bei denen die Bevölkerung auf dem Balkon klatscht, ist Svenja berührt. Gleichzeitig glaubt sie, dass nach der Krise die wichtige Arbeit des Gesundheitspersonals wieder in den Hintergrund rückt. Sie hoffe gleichzeitig aber auch, dass die Menschen langfristig die Verantwortung sehen würden, welche sie und ihre Kollegen tagtäglich tragen und sich dies künftig unter anderem im Lohn widerspiegeln werde. Trotz unsicherer Zeiten und Kurzarbeit macht sich Svenja jedoch keine Sorgen: «Beim Kantonsspital Graubünden ist man in guten Händen.»
In guten Händen ist Svenja auch zu Hause. Sie teilt sich ihre vier Wände mit ihrer Mutter, die ebenfalls im Spital tätig ist. «Sich mit ihr auszutauschen, tut mir gut. Sie versteht wovon ich spreche.» Sie war es aber auch, die den ursprünglichen Traumberuf von Svenja platzen liess. «Ich wollte als Kind stets Floristin werden. Ich musste meiner Mutter aber oft im Garten helfen und so hat sie mir den Beruf madig gemacht», erzählt sie lachend. Schlimm findet sie dies heute nicht mehr. «In meinem Beruf gibt es noch so viele Weiterbildungsmöglichkeiten. So kann ich mir unter anderem die Arbeit auf der Intensivstation oder als Rettungssanitäterin sehr gut vorstellen.» Bei der Vorstellung strahlt die 22-Jährige erneut. Sie hat ihre Berufung gefunden. Jetzt ist es aber erst einmal Zeit für Svenja sich auszuruhen. Die nächste Schicht im Kantonsspital wartet schon auf sie.